Besuch im Deutschen Auswanderungshaus in Bremerhaven

Subject City tour from Dorothee Knaupp, 11.09.2015 12:27 Uhr

Der Schwabe Carl Laemmle Begründer von Hollywood

                        

Wer in den Norden Deutschlands fährt, sollte nicht versäumen, das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven zu besuchen. An historischer Stelle wurde es 2005 eröffnet und im April 2012 der Erweiterungsbau fertig gestellt. Es zeigt auf eindrückliche Weise, welches Schicksal Menschen seit 1685 bis heute dazu bewegt, ihre Heimat zu verlassen oder nach Deutschland einzuwandern.
Gleich beim Kauf der Eintrittskarten wird es sehr persönlich, jede Besucherin, jeder Besucher erhält einen Boarding Pass, wird zu einer realen Person und kann sich während des Museumsbesuch in deren Geschichte über Hörtexte (gesprochen von bekannten Schauspielern wie Peter Lohmeyer, Hannelore Hoger etc.), Fotos und Utensilien aus dem Alltagsleben einfühlen. Beispielsweise ist man nun Carl Laemmle, 1867 in Laupheim geboren. Er wanderte 1884 von Bremerhaven nach Nordamerika aus. Sein Leben wurde zu einer legendären amerikanischen Erfolgsgeschichte, er wurde vom Laufburschen in New York zum Begründer von Hollywood. Als Jude verhalf er während der Nazizeit 300 jüdischen Familien durch Bürgschaften zu einer Aufenthaltserlaubnis in den USA.

  

Die Reise in die Vergangenheit beginnt zunächst mit dem Eintritt in eine düstere deutsche Amtsstube aus früheren Zeiten, man wandert weiter an die Hafenmole von Bremerhaven zu einer Szene aus dem 18. Jahrhundert mit Hafenbecken und der Schiffswand eines Ozeanriesen. Die Stimmung ist düster, Personen jeden Standes, Alters und Geschlechts nehmen Abschied und warten auf das Einschiffen. Überseekoffer, persönliche Koffer mit Blick in den Inhalt, Käfige und Kisten stehen rund herum. Weiter geht es durch einen Raum mit Dokumenten von tausenden ausgewanderten Menschen, präsentiert in Schubladen und Schaukästen. Mit Blick auf die moderne Hafenmole hören wir uns die geschichtlichen Hintergründe der verschiedenen Auswanderungsphasen an. Meist war das Motiv für die Auswanderung große wirtschaftliche Not und politische Verfolgung, manchmal auch Abenteuerlust oder der Wunsch nach einem besseren Leben.
Weiter geht es nun über die Gangway ins Innere des Ozeanriesen. Ich weiß nicht, ob es dort wirklich schwankt, aber ich hatte das Gefühl auf dem Meer zu sein, in bedrückend engen Räumen in Segel- und Motorschiffen. Insbesondere die Räume der 2. und 3. Klasse vermitteln ein realistisches Bild von der Enge in den Schlafräumen, Stockbetten, dicht an dicht, belegt mit Frauen, Männern und Kindern. Auch die Waschräume und das Klo sind originalgetreu nachgebaut, der Besucher kann sich vorstellen, wie es dort, verschärft durch Seekrankheit und mangelnde Hygiene, aussah. Der Blick in die 1. Klasse mit gemütlichen Kabinen, gepflegten Essräumen mit Personal und Unterhaltung, vermittelt die sozialen Unterschiede der Einwanderer auch in früheren Zeiten.

Irgendwann ist die Einwanderung geschafft, fast, denn wieder heißt es warten und zittern. Können die Einwanderer in Ellis Eiland die bürokratischen Hürden nehmen und die Fragen zur Zufriedenheit der Einwandererbehörde beantworten? Wer es geschafft hat, landet in einer architektonischen Besonderheit und Lärmkulisse mit realistischem Szenarium,  im Grand Central Terminal in New York und erfährt dort einiges über die Bedeutung der Eisenbahn für die Besiedlung von Nordamerika.
                                          

Jetzt wird es Zeit für eine Pause in der Museumsgastronomie, um dann frisch gestärkt in den Transitbereich zur Einwanderung nach Deutschland zu gelangen. An einem Kiosk aus den sechziger Jahren, ausstaffiert mit Zeitungen, Zigaretten, Getränkeflaschen und Süßigkeiten, begrüßt uns eine junge Frau persönlich, verlangt unseren Boarding Pass und die Besucher erhalten eine Einwandererbiografie, meine ist die der Französin Jeanne Greber, die mit ihrem deutschen Mann in Folge des ersten Weltkriegs aus Elsass-Lothringen nach Saarlouis eingewandert ist.
Informationen über die Einwandererströme nach Kriegen, politischen Umbrüchen im Ostblock und während des deutschen Wirtschaftwunders werden gezeigt. Die Kulissen sind in diesem Teil des Museums ein Frisörsalon, ein Antiquariat, ein Reisebüro, ein Fotoladen und ein Kaufhaus. Die Räume und ausgestellten Gegenstände symbolisieren das Aussehen, Erinnerungen an die Heimat, den Weg den die Einwanderer gingen, Erinnerungsfotos, das Schaffen einer neue Identität durch Arbeit, Geld verdienen, Dinge kaufen und besitzen und die Freizeit zu gestalten.
Es gibt auch einen historischen Kinosaal, das Roxy- Kino aus den fünfziger Jahren. Dort werden aktuelle Dokumentarfilme über das reale Leben der Einwanderer und ihrer Kinder in verschiedenen Ländern gezeigt.

Um in der umfangreichen Datenbank nach meinen Vorfahren zu suchen, die Anfang des 20. Jahrhunderts von der schwäbischen Alb nach Nordamerika ausgewandert sind, muss ich das Museum ein weiteres Mal besuchen und das habe ich auch vor. Sicher gibt es noch jede Menge Interessantes zu entdecken, etwa die Wand mit Schülerarbeiten zu den Menschenrechten. Laufend werden Geschichten und Schicksale neu aufgenommen und es gibt Sonderausstellungen, zur Zeit mit dem Themenschwerpunkt Auswanderung nach Australien.

Fakten:

Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Öffnungszeiten:
März-Oktober täglich 10 bis 18 Uhr
November bis Februar 10 bis 17 Uhr
Alle Infotafeln im Museum sind in Deutsch und in Englisch ausgeführt
Preise Erwachsene 12,50 €, Kinder 6,90 €
Weitere Preise, Informationen und Führungen auf der Homepage
Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven: www.dah-bremerhaven.de